Fußballprofis in den sozialen Medien: Darf man Influencer neben der Karriere sein?


27. Mai 2025
Fußballprofis in den sozialen Medien: Darf man Influencer neben der Karriere sein?

Fußball war lange eine Bühne, auf der fast alles über Leistung gesprochen wurde. Heute reicht das nicht mehr aus, um das Profil eines Spielers vollständig zu beschreiben. Immer mehr Profis bewegen sich parallel in einer zweiten Öffentlichkeit, die nichts mit Stadien oder Spielberichten zu tun hat. Sie betreiben eigene Kanäle, sprechen direkt zur Masse, vermarkten sich selbst und sie tun das mit einer Professionalität, die der auf dem Platz in nichts nachsteht.

Was bedeutet das für den Sport, für die Spieler und für das Publikum? Wo liegen die Chancen, wo die Risiken und ist es überhaupt möglich, beides gleichzeitig ernsthaft zu betreiben? All das wirft Fragen auf, die weit über das Klischee vom posierenden Selbstdarsteller hinausreichen. Dieser Text schaut genauer hin.

Wenn der Ball ruht und die Kamera läuft – Influencer-Dasein und Profisport 

Der Terminkalender eines Profifußballers liest sich selten wie ein entspannter Wochenplan. Vormittags stehen Trainingseinheiten auf dem Programm, dazwischen Analysen, Physiotherapie oder Sponsorentermine. Wer denkt, dass sich da problemlos ein aktives Influencer-Leben unterbringen lässt, unterschätzt den Aufwand auf beiden Seiten, denn Content-Produktion verlangt mehr als nur ein Selfie vor dem Spiegel, es braucht Planung, Kreativität und Durchhaltevermögen.

Trotzdem gelingt genau das einigen ausgesprochen gut. Nader El-Jindaoui etwa, dessen Karriere lange unterhalb des öffentlichen Radars verlief, hat sich auf Instagram und YouTube eine treue Fangemeinde aufgebaut. Seine Videos bieten Einblicke in ein Leben zwischen Vaterrolle, Fußballplatz und Produktempfehlung. Er erzählt Geschichten, die wirken und verkauft sie obendrein mit einem professionellen Gespür für Timing und Tonalität. Dass Hertha BSC II ihn auf dem Zettel hatte und er jetzt in den USA spielt, dürfte auch an seiner medialen Präsenz gelegen haben.

Ein anderes Beispiel ist Elias Nerlich. Ursprünglich im eSport zu Hause, später als Streamer bekannt geworden, hat er mit „Delay Sports“ einen eigenen Fußballverein gegründet, der inzwischen online mehr Fans mobilisiert als viele Regionalligisten. Hier trifft Leidenschaft für den Fußball auf digitale Souveränität. Es entsteht ein hybrides Projekt, das klassische Vereinsstrukturen herausfordert.

Verträge, Richtlinien und Stolperfallen

So frei, wie es auf Instagram oder TikTok aussieht, ist das Spiel abseits des Platzes längst nicht mehr. Viele Vereine haben klare Regeln für die Online-Aktivitäten ihrer Spieler eingeführt. Politische Aussagen, Interna oder unsachliche Kommentare über Schiedsrichter sind tabu. Wer gegen diese Vereinbarungen verstößt, riskiert nicht nur ein klärendes Gespräch, sondern mitunter auch Sanktionen.

Ein besonders heikles Feld bleibt die Werbung. Produkte aus sensiblen Bereichen wie Glücksspiel, Finanzplattformen oder Nahrungsergänzungsmittel unterliegen gesetzlichen Einschränkungen. Wenn die Influencer für NetBet werben, müssen sie dies mit Bedacht machen, denn ansonsten könnte es rechtliche Konsequenzen geben, auch wenn es sich um eine seriöse Plattform handelt. Besonders dann, wenn jugendliche Fans mitlesen oder -schauen, denn für diese Zielgruppe gelten besondere Schutzmechanismen.

Auch die Zusammenarbeit mit Agenturen schützt nicht vor Verantwortung. Der Spieler bleibt haftbar für Inhalte, selbst wenn diese von externen Profis gestaltet wurden. Die Erfahrung zeigt, dass das Netz bekanntlich nichts vergisst, denn Screenshots überdauern jede Story und holen Spieler manchmal Jahre später wieder ein.

Der digitale Doppelpass – wie soziale Netzwerke sportliche Karrieren beeinflussen

Wer heute aus der Kreisliga ins Rampenlicht will, braucht keine Lokalzeitung mehr. Ein clever produzierter TikTok-Clip reicht oft aus, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Damit haben sich die Spielregeln geändert. Sichtbarkeit entsteht nicht nur über sportliche Erfolge, sondern auch über Ausstrahlung, Haltung und die Fähigkeit, online präsent zu sein.

Randy Gyamenah zeigt genau das, denn als technisch versierter Fußballer mit einem ausgeprägten Sinn für Humor hat er sich über Social Media eine breite Öffentlichkeit erarbeitet. Obwohl er sportlich im Amateurbereich bleibt, kooperieren Marken längst mit ihm wie mit einem gestandenen Profi. Die Reichweite, die er sich aufgebaut hat, ist für viele Unternehmen wertvoller als die Tabelle.

Genau das macht soziale Medien so attraktiv. Wer eine große Community hinter sich weiß, wird für Vereine interessanter, selbst wenn die sportliche Bilanz überschaubar wirkt. Für Sponsoren zählen Followerzahlen inzwischen ebenso stark wie Torstatistiken. Die Regeln verschieben sich und damit auch die Chancen.

Gerade für Spieler aus unteren Ligen kann diese Entwicklung ein Türöffner sein. Sichtbarkeit, die früher nur den oberen Profiligen vorbehalten war, ist heute technisch und kreativ erreichbar. Wer beides beherrscht, Ball und Bildschirm, hat auf dem Karriereweg neue Optionen.

Eigenvermarktung und Eitelkeit – kann Social Media zum Risiko werden?

Sich selbst gut darzustellen gehört mittlerweile zum Spiel dazu, doch wann schlägt Selbstdarstellung in Selbstdarsteller-Allüren um? Wer häufiger auf Kamera als auf Gegner fokussiert ist, könnte leicht den sportlichen Fokus verlieren.

Diese Gratwanderung ist spürbar. Toni Kroos etwa, bei dem nichts überinszeniert wirkt, überlässt viele seiner digitalen Auftritte einem professionellen Medienteam. Alles wirkt kontrolliert, glaubwürdig und klar fokussiert auf seinen Beruf. Im Gegensatz dazu zeigen jüngere Spieler gelegentlich ein anderes Bild, die Story ist online wichtiger als die Leistung auf dem Platz.

Follower bringen Reichweite – Reichweite bringt Verantwortung

Ein Fußballer mit einer wachsenden Fangemeinde ist mehr als nur Sportler. Er wird zum Meinungsbildner, zum Markenbotschafter, zur öffentlichen Figur mit Einfluss. Alles, was geteilt wird, sei es ein Satz, ein Bild oder eine Kooperation, hinterlässt Wirkung. Diese Verantwortung ist real, auch wenn sie nicht in Verträgen steht. 

Besonders junge Fans orientieren sich stark an Sprache, Verhalten und Einstellungen ihrer sportlichen Vorbilder. Was gut gemeint ist, kann schnell fehlinterpretiert werden. Deshalb spielt Authentizität eine große Rolle.

Influencer heute, Fußballer morgen? 

Die neue Spielergeneration wächst mit digitalen Plattformen auf, denn TikTok, Instagram oder YouTube gehören zur Selbstverständlichkeit, nicht zum Ausnahmefall. Daraus entstehen neue Strategien, auch abseits des Rasens.

Viele junge Talente planen zweigleisig. Der Fußball soll gelingen, aber die mediale Präsenz wird von Beginn an mitgedacht. Das ist keineswegs naiv, sondern klug. Eine Verletzung oder ein Karriereknick können schnell passieren. Wer dann bereits eine Community, eine Marke oder ein eigenes Projekt aufgebaut hat, bleibt handlungsfähig.

Doch mit dem Ausbau der medialen Präsenz verschiebt sich manchmal auch die Priorität. Es stellt sich die Frage, wie viel Inszenierung ein Spieler verträgt, bevor die sportliche Ernsthaftigkeit darunter leidet. Die Antwort ist nicht pauschal. 

Klar ist jedoch, dass sich die Rolle des Fußballers verändert. Heute ist der Spieler nicht nur Athlet, er ist auch Figur im digitalen Spielfeld, Teil einer Medienrealität, die den Sport nicht ersetzt, ihn aber entscheidend erweitert.